Noch einmal zu Geld und Zinsen
Von Klaus Buschendorf
Im Kommunismus werde man kein Geld mehr brauchen, so lernte ich es in den Jugendtagen der DDR. Der technologische Fortschritt habe dann ermöglicht, dass jeder Mensch so viel von den erarbeiteten Gütern „nach seinen Bedürfnissen“ nehmen könne, wie er wolle. Damit sei Geld zur Verteilung des erarbeiteten Überflusses nicht mehr nötig. Und seine Arbeit könne er sich „nach seinen Fähigkeiten“ aussuchen. Wie das aussehen könne, dazu gab es damals in den fünfziger und sechziger Jahren Romane einer „Utopischen Literatur“. Fabriken wurden dort beschrieben, die automatisch in einem Kreislauf Güter erzeugten und vernichteten und wieder erzeugten – der Mensch griff nur ein, wenn er ein Produkt entnahm. Voraussetzungen seien technisch hohe Entwicklungen. Der Mensch würde auch nichts verschwenden. Er sei so hoch erzogen, dass er das als nicht moralisch empfinden würde – das macht er einfach nicht.
Vergleiche ich meine Erinnerung der damals vorgestellten technischen Lösungen mit heutigem Standard, muss ich folgern: Vieles wäre heute schon möglich. Die Schreiber solcher Romane haben gar nicht schlecht voraus gedacht – was das Technische betrifft. Aber die damit verbunden „edlen Handlungsweisen“ der zukünftigen Akteure – die kann ich heute auch nicht in Andeutungen sehen. Und ich erinnere mich eines Experiments in der frühen DDR. Meine Mutter führte eine „Kasse des Vertrauens“. Die war an einen kleinen Kiosk gekoppelt zur Pausenversorgung, Kekse, Bonbons, kleine Limonadenflaschen konnte dort jeder Vorübergehende entnehmen und den Betrag in eine Kasse werfen, Wechselgeld entnehmen. Der große Kummer meiner Mutter, die diesen Kiosk mit seiner Kasse führte: Die Kasse stimmte am Abend nie. Das wurde dann auch abgeschafft.
Anschaulichste Lehre: Menschen brauchen Zeit, sich an Neues zu gewöhnen! Und Geld: Es ist nicht nur ein Verteilungsmittel – es ist auch ein Machtmittel geworden, von dem man nicht genug haben kann! Diese Erfahrung hat jeder Erwachsene aufgesogen, dass er sich darüber keine Rechenschaft mehr gibt.
Denkt man darüber nach, so wird man finden: Eine „Kasse des Vertrauens“ kann heute nicht funktionieren. Das Geld hat nicht nur die Rolle, die erzeugten Güter der Gesellschaft „nach Leistung“ zu verteilen! Und darum braucht es vieler Schritte, dass ein Mensch dahin komme, so zu handeln, wie es sich die Autoren jener „Utopischen Literatur“ wünschten! Und da er gewöhnt ist, dass heute fast ausnahmslos alles „übers Geld“ geregelt ist, muss er zunächst erkennen, wie es funktioniert und was zu ändern wäre! Selbst seine „Erziehung zu einem neuen Menschen“ (was man immer darunter verstehen mag), kann nicht auf dieses gewohnte Geld verzichten. Geld muss dazu als Mittel dienen, bis man es nicht mehr braucht – doch das ist noch lang hin! Viele werden hier schon abbrechen zu lesen, weil sie es für „außerhalb der Realität“ halten werden, sich darüber auch nur den Kopf zu zerbrechen. Doch ich sagte schon häufig: Ohne Mut im Denken kann es Veränderungen nicht geben. Also finden wir den Mut, ein Louis Verne fand ihn auch – und viele „unmöglichen“ Vorstellungen seiner Zukunftsromane sind heute überholt!
Doch zunächst zur Gegenwart. Woran erkennt man, dass Geld im Alltag nicht nur ein Verteilungsmittel, sondern auch ein Machtmittel ist? An seiner „Knappheit“, wird die erste Antwort sein. Doch genügt das nicht. Geld erhält man für Leistung, so heißt es allgemein. Und so war es bei seiner „Erfindung“ auch gedacht. Preise werden „ausgehandelt“, anders geht das nicht im täglichen Umgang mit ihm. Und immer gab es Menschen, die beim „Aushandeln“ besser sind als ihre Partner. Geldüberschüsse entstehen ganz natürlich bei einzelnen Personen. Lehren die es ihren Kindern, entstehen über lange Jahrzehnte und Jahrhunderte Personengruppen, die das besser können, die Geld „überschüssig“ haben, weil sie es nicht selber „investieren“ können. Sie beginnen, es zu „verleihen“. Und verlangen – Zinsen, und darauf Zinsen ... und darauf Zinsen ...!
Doch dafür arbeiten nicht sie! Es ist der, dem das Geld verliehen wird, der dafür Leistung bringen muss! Die Ungerechtigkeit, welche hier einsetzt, war in der Frühzeit des Geldes den Menschen noch bewusst: Alle großen Religionen kennen das Zinsverbot, den – Wucher! Zinsen zu nehmen, ist auch im Christentum Wucher und eine Sünde – wer weiß das eigentlich noch? Die Fugger, das Handelshaus in Augsburg, welches den Habsburgern durch Geldverleihen zur Weltmacht verhalf, hatten ein schlechtes Gewissen, Zinsen zu nehmen! Sie stifteten die „Fuggerei“, die erste und heute noch existierende Sozialsiedlung der Welt, in welcher die Mieter täglich für das Seelheil der Fugger zu beten hatten! Geholfen hat es wenig – die Habsburger zahlten nicht zurück und die Fugger gingen Bankrott. (Was ihnen im Himmel geschah, ist nicht bekannt.)
Halten wir fest: Zinsen sind eine Aneignung fremder Leistung ohne eigenes Verdienst. Aber die Menschen sind diese Ungerechtigkeit gewöhnt! Fassen sie sogar als Anreiz auf, dass geliehenes Geld überhaupt zurückgezahlt wird! Würde dazu eine einfach „Prämie“ nicht auch ausreichen, welche einmal erhoben wird, sagen wir 3% des verliehenen Betrages, und mehr „Zinsen“ gibt es nicht? Taucht hier nicht die Frage auf, ob jene Menschen, welche „Zins und Zinseszins“ erfanden, nicht ganz bewusst Zwangslagen und Dummheit ihrer „Kunden“ ausnutzten, um das „Zinseszins-System“ auf Dauer einzuführen? Und dass hier der Missbrauch des Geldes begann und sich heute potenziert hat in Form von „Geldprodukten“ aller Art? Alle Menschen in ein „Hamsterrad“ eingespannt sind durch Schuldenaufnahme?
Heute ist aus der Anfangsungerechtigkeit von Zinseszins ein Riesen-„Finanzmarkt“ geworden, aufgebläht und nicht mehr dem Ziel verpflichtet, dass Geld zur Herstellung von Waren für den menschlichen Bedarf eingesetzt werden sollte. Die Akteure dieses Finanzmarktes sehen das gar nicht mehr, sehen nur noch „Rendite“. Ihr Blickwinkel ist darauf eingeengt, das Unmoralische ihres Handelns ist ihnen nicht bewusst, dieser Markt ist – amoralisch. Diesen „Finanzmarkt“ zurück zu drängen, ist die Aufgabe der gegenwärtigen Zeit und Politik. Das geht nicht über Nacht. Aber jede Maßnahme, staatliche Maßnahme der Regulierung und Kontrolle, welche diesem Ziel dient, ist zu fordern und zu unterstützen! Wohin es führt, wenn man es der „Freiheit des Marktes“ überlässt, man keine Regeln haben will – das erleben wir jetzt. Der „freie Markt“ kann und will das nicht leisten – nur ein Staat! Doch der muss Rückgrat haben! Wo soll sein Rückgrat herkommen, wenn nicht von seinen Bürgern? Zwingen wir ihn dazu – denn die andere, die „Geldseite“, will ihn schließlich für ihre Interessen durch Geld „kaufen“! Und tut das heute auf vielfältigste Weise. Beenden wir das durch Lernen, Wissen und Widerstand! |